ORIGINAL Nr. 3 - September 2014 - page 51

O
RIGI
NAL
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einem grossen, holzumrahmten Gebets-
raum wieder. Darunter sind Ferienhausbe-
sitzer von der Rigi, Leute vom Tal, Freunde
des Hauses und neugierige Wanderer. Die
einen haben sich in gekonnter Lotushal-
tung auf niedrige Kissen gesetzt, andere be-
nutzen ein Gebetsbänkli oder setzen sich
ganz einfach auf einen Stuhl – die Hände
gefaltet, ineinandergelegt oder leicht auf
die Oberschenkel abgestützt. So offen wie
die Haltung der Menschen ist auch die Ein-
führung: Buddha? «Das ist unser eigener
wacher Geist». Zen-Meditation? «Das ist der
Versuch, dazusitzen und möglichst nichts
zu denken». Das Ziel? «Sorgsamkeit und
Ausgeglichenheit ins Leben hinaustragen».
Keine Predigt, keine Lehre, keine Moral,
nichts. Nur eine Klangschale, die zu Beginn
und am Ende der halben Stunde Sitzen
oder «Zazen» leicht angeschlagen wird.
Natürlich erlebt jede und jeder diese halbe
Stunde ganz anders. Der Schreibende ge-
niesst erst einmal die Ruhe und Entspannt-
heit. Die Beine und Füsse sind angenehm
warm, einzig der Nacken ist verspannt. Was
nun? Zazen ist die Kunst des Loslassens.
Also lasse ich den Schmerz los, denke an
etwas anderes. Und es funktioniert! Nur
studiere ich jetzt an diesem «etwas ande-
ren» herum. Zum Beispiel, wie ich diesen
Bericht schreiben soll. Das hat zur Folge,
dass es eine innere Energieblockade gibt
und ich fast vornüberkippe. Also: Gedanken
ziehen lassen, sodass die Körperenergie
wieder fliesst. Dann den Oberkörper wieder
aufrichten (falls er das nicht schon von al-
leine getan hat), die Hände wieder schön
ineinanderlegen, die beiden Daumen einan-
der berühren lassen. Hilfreich ist auch, sich
immer wieder auf den eigenen Atem zu
konzentrieren und wahrzunehmen, wie er
fliesst, ohne dass ich viel dazu tue. Fast wie
beim autogenen Training also.
Dieses Prozedere wiederholt sich mehrere
Male. Ich bin froh, dass ich keinen Harn-
drang habe. Das wäre ärgerlich. Denn auch
wenn man aufstehen und aufs Klo gehen
darf – stören würde es halt schon. Nicht
nur einen selbst, sondern auch die andern.
«Stille verbindet», sagt dazu Vanja Palmers.
Plötzlich, nach gefühlten zwanzig Minuten,
ertönt wieder die Klangschale. Die Leute
verneigen sich, also verneige ich mich auch.
Das ist kein Zwang, denn ich spüre durch-
aus Dankbarkeit für diese Erfahrung. Aber
was für eine Erfahrung? Ich bin froh, dass
ich mir nachher noch etwas Zeit nehme,
um mich hinzusetzen und das Erlebte ein-
zuordnen. Entspannung? Ja. Ausgeglichen-
heit? Doch, eigentlich auch. Ich spüre, dass
es jetzt schade wäre, sofort zur Bahnstation
zurückzustressen oder mich wieder ans I
Phone anzukoppeln. Ich muss dieses Ge-
fühl zuerst etwas setzen lassen. Ideal dazu
ist der Abstieg – im Winter mit der Stirn-
lampe – zum Säntiberg. Raum und Zeit dür-
fen noch etwas verschwimmen, der geistige
Horizont noch etwas geweitet sein – über
das Lichtermeer rund um den Vierwaldstät-
tersee hinaus.
Bahnhofstrasse 38
6403 Küssnacht
Natürliche Farbenpracht an der Rigi!
Stille verbindet! Gründer und Zen-Meister Vanja
Palmers offeriert ein Räucherstäbchen.
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