ORIGINAL Nr. 3 - September 2014 - page 53

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RIGI
NAL
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ter lange Wandel- und Trinkhalle sowie
zwei Mal täglicher Postservice. Dennoch
mögen der Rummel und die Angebote im
Kaltbad – vor allem nach dem Bau der Rigi-
bahn – noch etwas grösser gewesen sein.
Die Zeitschrift «Alpenpost» machte kurz
nach der Eröffnung einen Vergleich: «Der
Ton auf der Scheideck fordert es auch nicht,
dass man täglich 3 oder 4 Mal seine Toilet-
te wechsle». Man bange allerdings schon
auch um die eher geruhsame Stimmung:
«Die guten Leute, die sich hier erholen,
fürchten, es möchte Rigi-Scheideck nach
und nach auch so ein Taubenhaus werden,
wie die übrigen Rigi-Orte, und die alte Ge-
mütlichkeit dürfte mit der Zeit den Weg al-
les Fleisches gehen». Josef Müller brachte
diese Ruhe wenige Jahre später selber in
Gefahr: Er beteiligte sich am Konsortium
«Regina Montium», dessen Plan es war, die
bestehenden Anlagen in ihre Hand zu be-
kommen und einige neue zu erstellen –
etwa das Hotel First oder die Bahn vom
Kaltbad zur Scheidegg. Nach kurzer Zeit des
Bestehens erlitt die Firma mit den ehrgeizi-
gen Plänen allerdings grandios Schiff-
bruch. Doch das ist wieder eine andere Ge-
schichte.
Auf der Scheidegg übernahm der frühere
Luzerner Kantonschemiker Robert Stierlin
den Betrieb. Er erstellte verschiedene tou-
ristische Angebote, unter anderem einen
Alpengarten, die Leiter zur Rigi Hochflue
oder einen neuen Aussichtsturm. 1890
wurde dieser Turm vom Schriftsteller Con-
rad Ferdinand Meyer eingeweiht, der immer
wieder auf der Scheidegg zu Besuch war.
Meyer lobte den Hotelier mit Doktortitel,
der «einen erfinderischen Kopf besitzt, der
ihn Tag und Nacht nicht ruhen lässt». Der
Schriftsteller suchte in seiner Rede einen
Namen für den neuen «weithin strahlenden
Leuchtthurm auf der Scheidegg», wollte ihn
zuerst «Turm zu Babel» nennen, «da ihn
alle Nationen der bewohnten Erde betreten
werden und eine gelegentliche kleine
Sprachverwirrung keineswegs ausgeschlos-
sen ist». Schliesslich aber entschied er sich
für «Turm der Freiheit», weil «wir alle nach
gemeinem Menschenrechte auf Scheidegg
gekommen sind, um für einige Wochen
wohlthätige Musse zu geniessen, jeder Not
und Knechtschaft des Lebens los und ledig
zu werden und ein bisschen frei und glück-
lich zu sein».
Die Hotelanlagen auf der Scheidegg teilten
später das Schicksal der anderen Prunk-
bauten auf der Rigi. Mit dem Ausbruch des
Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren blie-
ben die ausländischen Gäste auf einen
Schlag aus. Keines der grossen Hotels er-
holte sich je wieder von diesem Schlag. Die
Häuser im Klösterli und auf dem Kulm wur-
den später abgebrochen, die Hotels Kaltbad
und First brannten ab. Auf der Scheidegg
wurden während des Zweiten Weltkriegs
sowohl die grossen Hotelanlagen wie auch
die Schienen der Kaltbad-Scheidegg-Bahn
abgebrochen.
Das luxuriöse Innere des Scheidegg-Hotels, das
jenem im Kaltbad in wenigem nachstand.
Die Bahn zwischen Kaltbad und Scheidegg
transportierte die Gäste auf einer aussichtsrei-
chen Strecke an ihren Bestimmungsort.
Nebikon
Olten
Zofingen
Bauunternehmung
Wüest & Cie AG
Bauunternehmung
Nebikon - Olten - Zofingen
Golfen
im
Einklang
mit der
Natur
Telefon 041 854 40 20 ·
Mit dieser prächtigen Zeichnung warben die
Nachfolger von Josef Müller, Robert Stierlin und
Albert Hauser in den 1870er-Jahren für das
Hotel. Nach dem Tod von Hauser führte Stierlin
das Haus allein weiter.
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