Nr.2 Oktober 2013 - page 16

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O
RIGI
NAL
Die zwei Polenwege
an der Rigi
Die Polenwege sind eng verbunden mit
dem zweiten Weltkrieg. Während des deut-
schen Westfeldzugs wurde Anfang Juni
1940 die 2. polnische Infanterieschützen-
Division unter dem Kommando von
Bronisław Prugar-Ketling zur Unterstüt-
zung der 8. französischen Armee in die
Region Belfort geschickt. Nachdem die
polnischen Soldaten vom Nachschub ab-
geschnitten waren, überschritten am 19.
und 20. Juni 1940 12’000 bis 13’000 polni-
sche Soldaten der 2. Schützendivision süd-
lich der Ajoie die Schweizer Grenze, um
der Gefangennahme zu entgehen. Die Sol-
daten wurden in der Schweiz gemäss der
Haager Konvention interniert und im gan-
zen Land verteilt. Ab 1941 entstanden in
der ganzen Schweiz Barackenlager, in de-
nen die Polen bis Dezember 1945 inter-
niert wurden.
450 km Wege, Brücken und
Kanäle gebaut
Die internierten Polen leisteten vorwie-
gend gruppenweise Arbeitseinsätze für
die Landesverteidigung, die Infrastruktur
(Strassen- und Brückenbau, Trockenle-
gung von Sümpfen und Riedland) sowie in
der Landwirtschaft. Insgesamt wurden
450 Kilometer Wege, Brücken und Kanäle
gebaut. Im ganzen Land erinnern Denk-
mäler und Gedenktafeln an den unfreiwil-
ligen Aufenthalt der Internierten. Nach
Kriegsende gelang es rund 500 Polen, sich
in der Schweiz niederzulassen und später
das Bürgerrecht zu erhalten. Das Polenmu-
seum Rapperswil mit seiner Bibliothek
übernahm die kulturelle und bildende Be-
treuung der Internierten.
Polenweg Müser – Gällen
Der eine Polenweg an der Rigi geht vom
Kehrplatz Müser Richtung Gällen. Er wurde
während des zweiten Weltkrieges gebaut. Es
waren einige Dutzend polnische Internierte,
die diese unwegsame Verbindung Richtung
Alp Räb erstellt hatten. Das Gelände ist rela-
tiv steil, und es mussten einige Steinbro-
cken weggesprengt werden. Dazu hat der
heute 90jährige Isidor Waldis von der Lie-
genschaft Linde so seine Erinnerungen:
«Ich war mit den Pferden bei Feldarbeiten,
als es plötzlich einen Chlapf gab und es im
darüberliegenden Chilewald rumorte. Ich
war mich zwar gewohnt, dass es ab und zu
Felsabbrüche oder Steinschläge gab in den
eher lockeren Gesteinschichten. Dies zeigen
auch die vielen Nagelfluhblöcke als stum-
me Zeugen im Lande bis zum Dorfrand von
Weggis. Aber dieser Lärm kam mir komisch
vor. Jedenfalls spannte ich das Tier aus und
ging mit ihm hinter einen grossen Stein in
Sicherheit. Und dann kamen schon die Stei-
ne aus dem Wald. Es war aber nicht ein na-
türlicher Steinschlag, sondern die Folge ei-
ner überdimensionierten Sprengung am
Polenweg. Einer der Steine zertrümmerte
den Holzwagen, der Sekunden vorher noch
von meinem Ross gezogen wurde…» Zu
Beginn der 80iger Jahre des letzten Jahr-
hunderts gab es Projektstudien für den
Ausbau des Polenweges zu einer Lastwa-
gengängigen Forststrasse. Wohl aus Kosten-
gründen wurde darauf verzichtet und so
blieb der Polenweg als idyllischer Wander-
weg erhalten – und aus Sicherheitsgründen!
Der Polenweg Richtung Gällen wird immer
wieder bei Naturereignissen in Mitleiden-
schaft gezogen, so auch 2005.
In der Schweiz gibt es rund zwei Dutzend
Polenwege, zwei davon sind an der Rigi
Text: Josef Odermatt Foto: Klaus Louis
Ausbruchbereich einer Hangmure am Polen-
weg (unterhalb der kleinen Wanderwegbrücke),
unterhalb der Müseralp. Die im Anrissbereich
verbliebene Rutschmasse wurde im Rahmen der
Sofortmassnahmen weggebaggert, damit das
von oben her zufliessende Wasser frei weglaufen
kann und um eine Aufweichung der Rutschmas-
se zu vermeiden. Mehrere labile Blöcke wurden
gesprengt.
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